Ich bin Melly, 32 Jahre alt. Ich bin berufstätige Katzenmitbewohnerin mit Leidenschaft für Gaming, Musicals und Superhelden. Und ich lebe mit einer Form von Muskelschwund, die sich Spinale Muskelatrophie (SMA) nennt.
Wenn ich mir aktuelle behindertenpolitische Entwicklungen anschaue, bekomme ich Angst. Nicht nur ist gerade das Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz in Planung (#NoRISG), welches in seiner derzeitigen schwammigen Formulierung dazu führen wird, dass beatmete Menschen zukünftig zwangsweise in Pflegeeinrichtungen leben müssen. Nun wird neben dem fragwürdigen Pränatest auf Trisomien wie zum Beispiel das Down Syndrom ein zusätzlicher Test auf den Markt gebracht, der weitere Krankheiten und Behinderungen des ungeborenen Kindes anzeigen soll.
Ich fühle mich davon in meiner Existenz bedroht. Es wird von außen über den Wert meines Lebens mit SMA entschieden. Das ist verletzend und beängstigend. Niemand außer mir selbst kann beurteilen, wie lebenswert mein Leben ist. Die Entwicklungen zeigen aber doch eines ganz deutlich: Menschen mit Behinderung werden immer weiter aussortiert. Die Lebenden sollen in Sondereinrichtungen ihr Dasein fristen und die Ungeborenen werden noch vor ihrem ersten Atemzug unter dem Vorwand eines nicht-lebenswerten Lebens entsorgt.
Wohin wird das führen? Anstatt Barrieren und Stigmatisierung für Menschen mit Behinderung abzubauen, werden diese weiter vergrößert und gestärkt. Wenn mit einer Behinderung zu leben, heißt, fremdbestimmt in einer Pflegeeinrichtung vor sich hin zu vegetieren, sind Ängste vor Behinderung durchaus berechtigt. Wenn dann werdende Eltern die Diagnose bekommen, dass ihr Kind mit großer Wahrscheinlich zum Beispiel eine SMA entwickeln wird, wie werden sich diese Eltern für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft entscheiden? Welcher soziale Druck wird zusätzlich von außen auf sie einwirken?
Wäre es nicht viel schöner, wenn wir, statt Ängste zu schüren, dafür sorgen, dass ein Leben mit Behinderung weniger von bürokratischen oder physischen Barrieren beeinträchtigt wird? Wir müssen endlich aufhören, zu vermitteln, dass eine Behinderung der „Fehler“ des Einzelnen ist. Das „Schreckgespenst Behinderung“ verliert so nämlich ganz schnell seinen Schrecken.