Vor ein paar Tagen habe ich noch über zu viel Digitalisierung geschrieben und jetzt komme ich mit so einem Thema daher. Das liegt daran, dass ich gestern die Blogparade „Digital im Theatersaal“ von livekritik.de entdeckt habe und das Thema sehr spannend und interessant finde. Nur weil ich letztens meinte, dass die Nutzung vom Internet, speziell den sozialen Medien, ein bisschen extrem wird, bin ich ja nicht generell dagegen. Ganz im Gegenteil: solange sie noch reflektiert genutzt werden, bin ich sogar ein großer Befürworter und ich beobachte gerne die neusten Entwicklungen. So bin ich also auf die Blogparade gestoßen und wusste sofort, dass ich etwas dazu schreiben möchte. Ehrlich gesagt, habe ich keinen Pro- oder Contra-Standpunkt und deshalb werde ich einfach wild meine Gedanken aufschreiben und gucken, was am Ende dabei herum kommt.
Kern der Blogparade ist die Idee, im Theater während einer Vorstellung per Twitter, Facebook oder der Plattform livekritik.de sein Netzwerk und andere Interessierte an der Vorstellung teilhaben zu lassen. In einer ähnlichen Form passiert das schon bei meinen Musical-Freunden und mir. Oft schreiben wir unmittelbar vor oder nach einer Vorstellung und in den Pausen einen Facebook-Status, Tweet oder Nachrichten per SMS/WhatsApp über das Theatererlebnis, um die Daheimgebliebenen doch irgendwie „mit dabei“ zu haben. Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, dass ich während einer Show regelmäßig tippen würde, habe ich sehr gemischte Gefühle.
Ich halte mich durchaus für multitasking-fähig und denke, dass ich während einer Vorstellung nichts Wesentliches verpassen würde, wenn ich zwischendurch mal 140 Zeichen ins Handy tippe. Allerdings ist es bei mir meistens so, dass mich das Geschehen auf der Bühne so sehr vereinnahmt, dass ich vermutlich gar keine Lust auf die Live-Berichterstattung hätte. Irgendwie hätte ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich meinen Blick von der Bühne abwenden würde, um ins Handy zu starren. Das entspricht einfach nicht meinem Verständnis vom zivilisierten Theaterbesucher, da man nicht nur die Schauspieler aus dem Blick verliert, sondern mit dem leuchtenden Handy auch störend auffallen kann. Mich selbst würde es auf jeden Fall nerven, wenn in meinem Augenwinkel ständig das Handy des Sitznachbarn aufblinken würde.
Auf der anderen Seite würde es mir für meine Showberichte wahnsinnig helfen, wenn ich während der Vorstellung in Form von Tweets oder ähnlichem quasi Notizen schreiben würde. Von der Aufmerksamkeit, die man dem Bühnengeschehen schenkt, sehe ich hier keinen großen Unterschied zu einem klassischen Notizblock. Natürlich, bei einem Notizblock ploppen keine Antworten auf und man kann keinen Hashtag verfolgen, aber die kann man sich ja auch für die Pause oder nach der Vorstellung aufheben. Mir ginge es beim Live-Bericht eher darum meine eigenen Gedanken festzuhalten und schon ein bisschen vorzusortieren.
Mal weg vom eigenen Theaterbesuch, ich würde tatsächlich unglaublich gerne Live-Berichte von Vorstellungen verfolgen, die meine Freunde besuchen, aber vielleicht auch Berichte von Fremden. Ich liebe es einfach schon, wenn ich nur miterleben kann, wie jemand im Theater ankommt, die Besetzungsliste liest und seinen Platz einnimmt. Da habe ich immer selbst ein bisschen Spannung und Theatergefühl. Es wäre auf jeden Fall sehr interessant, dann auch unmittelbar zu lesen, wie demjenigen die Show gefällt. Dabei finde ich es gleichermaßen interessant, ob ich nun die Show selbst schon kenne oder es eine neue für mich ist.
Da ich noch so unentschlossen bin, was ich von Theater-Live-Berichten halten soll, würde ich es sehr gerne mal ausprobieren. Dann kann ich für mich am besten entscheiden, wie es meinen Theatergenuss beeinflusst und ob ich Spaß daran habe. Ich finde die Idee auf jeden Fall grundsätzlich ganz interessant. Ich kann mir vorstellen, dass sich da für die Theater marketing-technisch etwas draus machen ließe. Spontan denke ich da an eine spezielle Preview, um durch die Live-Berichte das Interesse an den folgenden Vorstellungen zu vergrößern. Ich werde jedenfalls gespannt verfolgen, wie sich das alles entwickelt.
„Das entspricht einfach nicht meinem Verständnis vom zivilisierten Theaterbesucher, da man nicht nur die Schauspieler aus dem Blick verliert, sondern mit dem leuchtenden Handy auch störend auffallen kann. Mich selbst würde es auf jeden Fall nerven, wenn in meinem Augenwinkel ständig das Handy des Sitznachbarn aufblinken würde.“
Damit hast du das beste Argument gegen eine solche Live-Berichterstattung geliefert. Es ist unglaublich störend (rücksichtlos und unhöflich), wenn es manche Leute keine Stunde aushalten, ohne auf ihr Handy zu schauen. Wenn ich mir vorstelle, da sitzt nun jemand neben mir, der/die alle 10 Minuten irgendwas in das Gerät tippt, vergeht mir die Lust auf Theater.
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass das ganz gut funktioniert, wenn es eigene Bereiche gibt, in denen die Twitterer sitzen und das restliche Publikum nicht stören.
In Amerika gibt es wohl schon in einigen Theatern „Tweet Seats„. Die sind dann irgendwo in den letzten Reihen. Woran ich gestern aber auf der Contra-Seite noch gar nicht gedacht hatte, ist der technische Aspekt. Wie reagieren die Soundanlagen auf ständige Bestrahlung durch Handy-Netze?
Wo ist mein Kommentar hin?
Hab keinen bekommen. Schreib nochmal!
Hallo Melly, vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag! Du bringst Pro und Kontra-Argumente gut auf den Punkt – so sehe ich das auch! Wir (livekritik.de) hatten ja am vergangenen Wochenende einen „Feldversuch“ mit dem Schlossparktheater Berlin gestartet: Während einer Vorstellung des Krimi-Stücks „Ladykillers“ http://www.livekritik.de/veranstaltungen/ladykillers durften wir 50 Liveberichterstatter einladen, die in 3 extra dafür reservierten Reihen Platz nehmen und ihre Gedanken live via Smartphone oder PC an ihre Netzfreunde schicken durften. Nach der Vorführung gab es noch eine Diskussion mit den Schauspielern. Interessanterweise fühlte sich keiner der Schauspieler durch die leuchtenden Handys oder PC`s gestört – sie haben sie schlicht nicht bemerkt! „Wir sind während der Vorführung so in unser Spiel vertieft, da sehen wir sowas nicht“ erklärte uns die Hauptdarstellerin Ingeborg Krabbe. Ok, wir saßen auch in hinteren Reihen, also weit genug weg von der Bühne. Auch von den anderen Zuschauern beschwerte sich niemand. Und ich muss auch sagen: Von den Twitterern rechts und links von mir fühlte ich mich nicht gestört, die konnte ich „ausblenden“. Mein eigenes Getwittere hat mich da mehr abgelenkt. Zudem bediente ich noch den livekritik Twitterkanal und antwortete dem Publikum aus dem Netz auf Hashtag-Tweets (#ladykillers). Als Zuschauer würd ich sagen: Mal ist das ja ganz spannend, aber eigentlich konzentriere ich mich in meiner Freizeit lieber nur auf eine Sache – Multitasking kann ich zwar ganz gut, aber alles zu seiner Zeit – bei mir ist der Arbeitsalltag laut, bunt und von vielen Kanälen bestimmt, in der Freizeit bevorzuge ich Entspannung und Konzentration auf nur eine Sache…
Gruß von Karin Janner (livekritik.de)
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar! Es ist interessant, von jemandem zu lesen, der so einen Live-Bericht schon mal gemacht und miterlebt hat.